Dies unter erschwerten Bedingungen: Denn Wahlkämpfe leben normalerweise von persönlichen Begegnungen und Veranstaltungen. Und dies wird 2021 wohl ganz anders aussehen.
Doch Silke Gericke ist hier gut aufgestellt. Digitale Veranstaltungen, Nutzen der Sozialen Medien wie Instagram oder WhatsApp war für die im Ludwigsburger Stadtteil Ossweil lebende 45jährige Mutter von drei Kindern, schon vor der Pandemie völlig normal.
Genauso normal wie ihr politisches Denken und Leben, das ihr quasi in die Wiege gelegt wurde: „Das liegt ein Stück weit an meiner Erziehung, da Politik bei uns zuhause immer Thema war und fleißig bei den gemeinsamen Mahlzeiten die Tagespolitik diskutiert wurde. Je älter meine Schwester und ich wurden, umso hitziger wurden die Diskussionen. Ich stamme aus einem sehr wertkonservativen Haus – meine Mutter war Steuerberatergehilfin und mein Vater arbeitete als Grenzschutzbeamter für den Bund. Er war oft im Einsatz bei Demonstrationen – zum Beispiel bei den legendären Demos gegen die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf.“
Und war es dann folgerichtig? Dein Engagement bei den Grünen?
„Ja. Es war keine Antihaltung gegen meine Eltern „Grün im Herzen“ zu werden, denn auch ihnen lag immer die Bewahrung der Natur und nachhaltiges Wirtschaften sehr am
Herzen. Doch wurde mir sehr schnell klar, dass es für mich keine Differenzierung zwischen Fühlen und Handeln geben darf und ich mich dafür auch einsetzen möchte, dass Toleranz, friedliches Miteinander, Bewahrung der Natur und ökologisches Handeln nicht nur immer als Ökospinnerei empfunden wird, sondern Normalität werden sollte.“
Wie hat sich das praktisch gezeigt?
„Schon als Schülerin habe ich mich für Fairen Handel interessiert und während meines Studiums der Sprach- und Literaturwissenschaften in Bayreuth war ich wissenschaftliche Hilfskraft der dortigen Frauenbeauftragten.
Ein ziemlich geradliniger politscher Weg?
„ Ja, denn mein einschneidendes Erlebnis, durch das ich mich dann eindeutig grün verortet sah, war der Bundestagswahlkampf 1998. Joshka Fischer führte damals den Wahlkampf für die GRÜNEN. Dieser Wahlkampf prägte mich und gab meiner Haltung ein festes Zuhause.“
Wie sieht Dein Alltag aus?
„Seit 2017 arbeite ich für die Mannheimer grüne Landtagsabgeordnete Elke Zimmer als Stuttgarter Büroleiterin. Ich habe einen flexiblen Arbeitsplatz, normalerweise in Stuttgart. Jetzt, während der Krise, kann ich vermehrt Homeofficetage einlegen. Das ist medial und von den Arbeitsabläufen keine dramatische Umgewöhnung für mich. Nur ist es natürlich für Eltern von drei Kindern schon eine Herausforderung, Homeschooling und Arbeiten unter einen Hut zu bekommen. Abends mehren sich nun die virtuellen
Treffen mit der Partei oder ich bin für mein Mandat im Ludwigsburger Gemeinderat unterwegs. Seit Herbst letzten Jahres bin ich bei der Landesarbeitsgemeinschaft Mobilität der Grünen Baden-Württembergs Sprecherin.“
Wie würden andere Dich beschreiben?
„Als eine fröhliche und hartnäckige Person, die sich nicht gerne vom Thema abbringen lässt und mit beiden Beinen auf dem Boden steht. Ihr Herz brennt für die grünen Themen und sie ist eine Frau der Tat. Wenn sie etwas fühlt und glaubt, muss sie es umsetzen.“
Welche politischen Ziele setzt Du Dir?
„Ich sehe den Landtagswahlkreis Ludwigsburg für die kommenden fünf Jahre vor große Herausforderungen gestellt – bereits ohne Covid 19. Wir haben mit der Verkehrswende in Deutschland den Transformationsprozess in der Automobilbranche zu lenken – d.h. die Wirtschaft dahingehend zu unterstützen, dass mit möglichst geringen Arbeitsplatzverlusten Unternehmen weiterhin hier in der Region gute Produkte für die Mobilität von heute und morgen auf den Weg bringen. Das heißt wir müssen von Landesseite hier ressourcensparende und klimaschonende Zukunftstechnologien fördern und die richtigen Impulse geben.
Die Gesundheitsversorgung muss sich noch stärker an den Menschen orientieren und nicht an ihrer Wirtschaftlichkeit. Wir GRÜNEN setzen uns dafür ja schon lange ein. Und Baden-Württemberg steht schon besser als manch anderes Bundeland da – aber das reicht bei weitem nicht aus, wenn es zu einem Worst-Case-Szenario kommt, das wir derzeit alle zusammen durchleben.
Die Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe muss gestärkt werden. Die Qualität der medizinischen Versorgung kann nur mit interprofessionellen Teams und durch eine Aufwertung der Gesundheitsfachberufe aufrechterhalten werden. Eine dezentrale und regionale Organisation von Versorgungsmaterialien, wie zum Beispiel für ausreichend Schutzmasken, muss gerade jetzt vorangetrieben werden. Da sehe ich mich mit in der Pflicht mit Nachdruck an dem Thema dran zu bleiben und auch in Ludwigsburg in der Organisation unserer Klinikstrukturen und im Landkreis ein Umdenken unterstützen.
Der soziale Wohnungsbau ist ein weiteres Thema, das mich extrem umtreibt. Wir brauchen Wohnraum der bezahlbar ist, bezahlbar für Jedermann bzw. Jederfrau.
Da darf es in der Immobilienbranche kein „Weiterso“ geben. Speziell im Raum Ludwigsburg sehe ich hier noch viel Luft nach oben und bisher keine aktive Initiative dies wirklich anzugehen. Nachhaltiges Bauen muss mehr Thema werden und nicht Luxus und Nice-to-have.“
Wo siehst du Herausforderungen?
„Politik ist immer eine Herausforderung, da alles natürlich von Mehrheitsentscheidungen abhängig ist. Da gilt es einfach mit Mitgliedern anderer Parteien zu kommunizieren, so wie man es auch mit Vertretern und Vertreterinnen der Wirtschaft und kommunalen Spitzenverbänden immer wieder tun sollte. Hierfür bin ich immer offen. Denn es hilft uns nicht, wenn wir nur konfrontative Forderungspolitik betreiben. Wir müssen hier die Diskussionskultur pflegen und Überzeugungsarbeit leisten.“
Und zum Schluss: Wie feiert die Familie Gericke Weihnachten und den Jahreswechsel im Coronajahr 2020?
„Wir werden im kleinen Kreis feiern – ohne das sonst übliche große Familientreffen am zweiten Feiertag. Da mein Schwiegervater Pfarrer war, planen wir gerade einen kleinen, digitalen Gottesdienst mit allen Familienangehörigen. Immer hat bei uns ein festliches Essen dazugehört, das es auch dieses Jahr geben wird – ganz traditionell mit Ente, Rotkohl und Knödel.
Der Jahreswechsel fand schon immer ohne Böller statt – dafür mit vielen lustigen Spielen. Dafür haben wir uns dieses Jahr auch etwas ausgedacht: Mit unseren Freunden werden wir einen digitalen Scrabble-Abend veranstalten.“